Drei große Stahlskulpturen von Florian Schaumberger werden bis Ende September 2021 in der Konzilsgedächtniskirche aufgestellt sein: 3 Klang – 3 Männer mit Hut (Eisen geschwärzt, 2018, H 210 cm), AHEAD I und AHEAD II (Stahl, 2020, H 230). Auf drei Weisen werde ich versuchen, einen Zugang zu diesen Skulpturen zu erschließen. Einmal durch den Bezug zur Tradition eines großen Motivs europäischer Bildhauerkunst; dann durch den Bezug zur Tradition österreichischer Bildhauerkunst im 20. Jahrhundert; und zuletzt durch einen Hinweis darauf, was diese Skulpturen in der aktuellen Situation bedeuten könnten.

Das Motiv des aufrecht stehenden Menschen steht bereits am Anfang europäischen Gestaltens. Am Beginn des 1. Jahrtausends vor Christus sind Figuren und Vasen entstanden, die etwas völlig Neues darstellen. Es sind Gestalten, auch die Vasen, die aufrecht und ausgerichtet stehen, frei haben sie Halt in sich selber. Sie verkörpern eine geistige Haltung, die kennzeichnend war für die Gestalten abendländisch europäischer Kunst. Auch nach dem Ende der griechischen Kunst wird das Motiv des aufrechten Stehens in der mittelalterlichen Architektur und Skulptur gestaltet, als Stehen in übergreifenden Zusammenhängen. Diese große Tradition kommt im vergangenen Jahrhundert an ein Ende, doch die von den Figuren verkörperte Haltung lebt auch in den Gestalten von Florian Schaumberger nach.

Der 1962 geborene Bildhauer Florian Schaumberger steht als Schüler von Joannis Avramidis in der Tradition großer österreichischer Bildhauerkunst von Anton Hanak über Fritz Wotruba bis zum Griechen Joannis Avramidis. Alle drei waren im figurativen Gestalten verwurzelt, doch gingen sie mit ihren Gestaltungen einen Weg, der sie weit über das Figurative hinausführte und in das Formen von Architektur mündete. Auf diese Weise verließen sie die bis dahin ununterbrochen fortgeführte Tradition europäischer Bildhauerkunst. Angedeutet findet sich der Bezug zur Architektur bei Anton Hanak nicht in den Bauskulpturen, die es bei ihm auch gibt, sondern in Skulpturen wie Riese oder Baumeister, die das Blockhafte, Gebaute in sich aufnehmen. Bei Wotruba und Avramidis nimmt diese Wendung deutlichere Züge an, indem die Skulptur selber imstande ist, Architektur zu formen. Dabei verlässt sie merkwürdigerweise die enge Beziehung der früheren Skulpturen zur Architektur und wird von allen Bindungen an Tektonisches befreit, fast schwebend und leicht, den Gesetzen der Schwerkraft scheinbar entzogen. Wotruba lässt Blöcke der Kirche auf dem Georgenberg frei hängen, Avramidis stellt Figuren auf den Kopf.

Florian Schaumberger gestaltet in einer Zeit in der eine Bindung an alte Traditionen verloren gegangen ist, und die neu ihren Standort finden muss. Notwendige Voraussetzungen dafür sind das Aushalten einer Stille nach dem Ende des Alten und das Innewerden der Gegenwart und seiner Möglichkeit des Neuen. Die Figuren von Florian Schaumberger haben in den letzten Jahren an Einfachheit und Elementarität gewonnen, was sie an Vitalität und Komplexität scheinbar verloren haben. Es sind äußerst reduzierte Plastiken entstanden, deren Proportionen und Rhythmus sehr sorgfältig gestaltet wurden. Ein Betrachter, eine Betrachterin mag möglicherweise entdecken, dass in diesen Gebilden, die ein Form gewordenes Innewerden zeigen, gerade jene Haltung äußerster Konzentration und freien Stehens gestaltet ist, derer wir heute dringend bedürfen.

Gustav Schörghofer SJ